Deutsche Händler im direkten Vergleich mit US-Händlern

Deutsche Händler im direkten Vergleich mit US-Händlern

19. November 2015 Aus Von Thomas Hinterleithner

27. Oktober 2015: Think Tank #4: Storecheck Chicago: Wallgreens, Macy’s, US Mall, Best Buy

Deutsche Händler im direkten Vergleich mit US-Händlern

Während der diesjährigen Retail-Konferenz der Location Based Marketing Association am 22. und 23. Oktober in Chicago fand schon zum zweiten Mal eine geführte Exkursion durch zahlreiche Geschäfte und Einkaufszentren in der US Metropole statt. Unter dem Motto: „Wie verbinden US Händler das physische Einkaufserlebnis mit der digitalen Welt“ erkundete das Team vom LOC-Place aktuelle Entwicklungen und probierte die Angebote live aus.


Ausgangsituation: Die Fakten

In zahlreichen Fachpublikationen des deutschsprachigen Handels wird seit geraumer Zeit die Innovationskraft von US-Händlern gelobt. So stehen derzeit einige Technologien im Fokus:

  • WLAN – Zugang für Kunden
  • WLAN zur Kundenfrequenzmessung
  • iBeacon Notification für Kundenbindung / Angebotsübermittlung
  • Marketing-Automatisationssysteme
  • Online-Bestellungen mit Abholung im Geschäft
  • Online-Bestellungen und Lieferung
  • Indoor-Navigation

Betrachtet man diese Ausgangssituation, scheint alleine die Fülle an Möglichkeiten den stationären Händler vor zahlreiche Fragen zu stellen. Grund genug, sich diese Entwicklungen live und ungeschönt erklären zu lassen und diese auch selbst auszuprobieren.

Live-Exkursion durch die Innenstadt Chicagos

Am Vortag der Konferenz, den 21. Oktober, erkundeten wir in Form einer Exkursion die Innenstadt Chicagos. Dabei besuchten wir in der Michigan Avenue diverse Geschäfte, die verschiedene Orts-basierte Dienste anbieten. Dabei zeigte sich, dass auch in den USA nicht alles auf Anhieb so funktioniert, wie man es gerne hätte und dass längst nicht alle Möglichkeiten genutzt werden, die technisch ausgereift wären. Besonders die Einbindung von Touristen bleibt dabei leider oft außen vor.

Station 1 – Macy’s
Das Vorzeige-Kaufhaus mit einer exponierten Lage in der Innenstadt von Chicago veröffentlicht regelmäßig Pressemeldungen, in denen die neuesten Technologien und Services vorgestellt werden. Live vor Ort konnten wir folgendes testen:

  • WLAN für Kunden
  • Online-Bestellungen mit Abholung vor Ort
  • Online-Bestellungen und Lieferung

WLAN:
Der Login in das WLAN-Netz von Macy’s überzeugte durch seine unkomplizierte Handhabung. Auch der Übergang zwischen den einzelnen Sendestationen hinweg durch die verschiedenen Stockwerke und Abteilungen funktionierte reibungslos.

Auch wenn bei der Anmeldung keine persönlichen Daten gefordert wurden, wird jedoch auch der zur Verfügung stehende Platz der Startseite nicht zur Promotion genutzt. Es wurde lediglich auf die Applikation von Macy’s hingewiesen und zum Download angeboten. Wie es häufig der Fall ist, gibt es auch diese Applikation nicht im deutschen App-Store. Somit ist eine Nutzung von Touristen nicht vorgesehen.

Wie uns ein WLAN-Anbieter in einem weiterführenden Gespräch mitteilte, fällt die Nutzung von WLAN- Netzen in Bars und Einkaufzentren in den USA im Vergleich zu Kanada oder Südamerika sehr gering aus. Grund hierfür sind Mobilfunkverträge mit vergleichsweise hohen Datenvolumen. So nutzt der US-Bürger sein Smartphone häufig ausschließlich über das Mobilfunknetz.

Mobil nicht optimierte Seite bei Best Buy.

Mobil nicht optimierte Seite bei Best Buy.

Onlinebestellungen mit Abholung vor Ort:
Der Abholort für online bestellte Waren – mit dem faszinierenden Namen  „Connect@macys buy online pick up in-store“ – liegt gleich neben den Rolltreppen und ist einfach zu finden. Bei den zwei freundlichen Angestellten bot sich uns zunächst ein überzeugender Anblick. Bei genauerem Hinsehen fiel allerdings auf, dass das große Anzeigedisplay gebrochen war und ein touchfähiges Terminal, mit dem man Waren aus dem Internet direkt bestellen kann, nur bedingt funktionierte. Auch wenn uns das freundliche Personal zur Seite stand und versuchte, die Situation zu retten, gelang uns der Bestellvorgang nicht. So wurden wir darauf verwiesen, dass normalerweise auch zusätzliche iPads zur Verfügung stünden. Diese waren an diesem Tag jedoch unauffindbar, womit auch der Test der Lieferung von Waren ins Hotel ausfallen musste.

Station 2 – GGP Mall
Einer der großen Betreiber von Shopping Malls in den USA bietet seinen Kunden Informationen zu Shops / Angeboten über:

  • WLAN
  • Applikation
  • IBM Silverpop – Lösung zur Marketing Automatisation
  • Free Sample Station

Im Einkaufzentrum wurde über zahlreiche Plakate und Aufkleber für das kostenfreie Internet geworben und es konnte auch überall der Loginprozess gestartet werden. Hierzu ist ein umfangreiches Formular vom Besucher auszufüllen, bei dem er sogar zur Eingabe seines Geburtsdatums aufgefordert wird. Jedoch führte keiner der auf drei verschiedenen Endgeräten ausgeführte Versuch des Logins in das Netzwerk zu einer finalen Registrierung. Jedes Mal wurde der Loginprozess mit einer Fehlermeldung seitens des Silverpopsystems abgebrochen.

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Im Eingangsbereich der Mall waren zwei Automaten zur kostenfreien Verteilung von Produktproben aufgestellt. Auch in diesem Fall blieb dem ausländischen Besucher der Zugang zu der hierfür benötigten Applikation verwehrt, denn sie ist ebenfalls nur im US-Store verfügbar. Mit einem US-Account konnten wir dann doch die sehr gelungene Produktpräsentation am Automaten und auf dem Smartphone erleben.

Im gesamten Einkaufszentrum wurde ein SMS-Dienst für Fragen und Anregungen beworben. Der Versuch, mit einer ausländischen Nummer eine Frage zu senden, wurde allerdings nicht beantwortet. Bei der US-Nummer erfolgte die Antwort umgehend.

Free Sample Station in der GGP Mall, Chicago.

Free Sample Station in der GGP Mall, Chicago.

Station 3 – BEST BUY
Auch in diesem Geschäft gelang uns der Zugang zum kostenfreien WLAN ohne Probleme, dennoch war die Bestätigungsseite nicht mobil optimiert und wurde auch nicht für weiterführende Angebote verwendet. Funktionell, aber umständlich.

Auffällig in diesem Store ist die hohe Anzahl an Hersteller-eigenen Präsentationsflächen (Shop im Shop). Ähnliche Produkte können hier nur schwer vom Kunden miteinander verglichen werden, da sie nicht gemeinsam platziert sind. Dies kompensiert BEST BUY über gut geschultes Personal.

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Station 4 – Mall of America (Gespräch mit Marketingleitung)
Dieses Einkaufzentrum ist eines der größten der Welt und die größte Einzelhandelsfläche in Nordamerika. Folgende Technologien / Services wurden umgesetzt:

  • Applikation
  • Mobile Webseite
  • WLAN
  • Tracking
  • Indoor-Navigation

Das Gespräch mit der Marketingleitung ergab, dass gerade die mobile Webseite aufgrund ihrer hohen Komplexität schon sehr viele Möglichkeiten für eine Interaktion mit dem Kunden bietet. So wird die mobile Webseite häufiger genutzt als die Applikation und die damit einhergehenden zusätzlichen Möglichkeiten. Enttäuscht zeigte sich die Mall of America von der derzeitigen Leistungsfähigkeit der ausprobierten Indoor-Navigation und den Beacon-Anwendungen. Hier sei noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten, bevor eine feste Installation angedacht wird.

 

Fazit:

Wie so häufig ist nicht alles Gold, was glänzt und die technischen Möglichkeiten ersetzen nicht den direkten Kundendialog. Ernüchternd ist festzustellen, dass zahlreiche Installationen aufgrund technischer Fehlfunktionen oder nicht zu Ende gedachter Prozesse schlicht überhaupt nicht funktioniert haben. Sicher ist diese Betrachtung nur eine Momentaufnahme, sie spiegelt aber auch den Grundtenor der Konferenz wieder. Vieles wird mit Engagement ausprobiert und auch mit Mut im Markt platziert. Jedoch scheitert es häufig an den Aufwänden, welche im Regelbetrieb solcher Lösungen betrieben werden müssen.

Im direkten Vergleich brauchen sich deutsche Händler und Anbieter von Lösungen hier nicht verstecken und können selbstbewusst in den Wettbewerb gehen.